Lean im Gesundheitswesen - ist das möglich?
- Eva Jenisch
- 29. Juli 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juli 2024

Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen über den aktuellen Zustand des Gesundheitssystems. Er selbst hat seinen erlernten Beruf als Krankenpfleger frustriert aufgegeben, weil es zu viel Verwaltung, ineffiziente Arbeitsabläufe und zu wenig Zeit für die Patienten gab. Er fühlte sich ausgelaugt und ausgenutzt. Die Ursachen führte er einerseits auf Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen und andererseits auf die Einführung von Lean zurück. Das ist es, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Wie kann es sein, dass ein Ansatz, der eigentlich auf dem Fluss und der Vermeidung von Verschwendung beruht, zu so unbefriedigenden Ergebnissen führt?
Lean-Management-Systeme wurden ursprünglich für die Fertigungsindustrie entwickelt und haben sich in der Praxis als sehr erfolgreich erwiesen, da sie dazu beitragen, Prozesse zu verbessern und die Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden. Im Gesundheitswesen gibt es jedoch einige spezifische Herausforderungen, die die Umsetzung von Lean-Methoden schwierig oder sogar unwirksam machen können. Einige der zugrundeliegenden Gründe hierfür können sein:
🩺 Komplexität: Das Gesundheitswesen umfasst ein breites Spektrum von Fachgebieten und Disziplinen, und die Prozesse sind oft sehr komplex und unvorhersehbar, was eine massgeschneiderte Anwendung von Lean-Methoden erfordert.
🩺 Fokus auf Qualität: Im Gesundheitswesen steht der Patient im Mittelpunkt, so dass das Hauptziel darin besteht, die bestmögliche Pflege zu bieten. Lean-Methoden könnten dazu führen, dass sich die Mitarbeiter zu sehr auf den Prozess und nicht genug auf die Qualität der Pflege konzentrieren.
🩺 Kulturelle Besonderheiten: Im Gesundheitswesen gibt es oft eine traditionelle Hierarchie und eine starke Überspezialisierung der Arbeitsbereiche. Es kann einige Zeit dauern, bis die Fachkräfte im Gesundheitswesen die Vorteile der Lean-Methoden vollständig verstehen und akzeptieren.
🩺 Fokus auf Kosteneinsparungen: Wenn der Schwerpunkt nur auf Kosteneinsparungen und nicht auf der Verbesserung der Qualität der Pflege und der Patientensicherheit liegt, können Lean-Methoden zu schlechten Ergebnissen führen. Für mich stellt sich allerdings die Frage, ob das dann wirklich Lean ist.
Es gibt allerdings auch erfolgreiche Beispiele für die Anwendung von Lean-Methoden im Gesundheitswesen, insbesondere in der Verwaltung und in administrativen Bereichen. 5S- oder Spaghetti-Diagramme können bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen hilfreich sein, das Lean-Factory-Layout bei der Planung von OP-Sälen. Wichtig ist, dass bei der Einführung von Lean-Methoden immer die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen des Gesundheitswesens berücksichtigt werden.
Für mich sind die wichtigsten Instrumente bei der Umsetzung nach wie vor der gesunde Menschenverstand, die Einbeziehung der Beteiligten und ein gesundes Urteilsvermögen. Lean sollte nicht als eine Reihe von vorgefertigten Werkzeugen gesehen werden, die einfach nur umgesetzt werden müssen, sondern eher als eine Geisteshaltung. Das Ziel von Lean ist es schliesslich, einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen - wobei im Gesundheitswesen die Beziehung zwischen dem Patienten, dem Leistungserbringer und dem Kostenträger eine besondere Herausforderung darstellt.
Mein Kollege, der früher eine ganze Reihe von Krankenhausfachkräften leitete, ist für das Gesundheitssystem verloren gegangen. In unserer sich demographisch schnell verändernden Gesellschaft brauchen wir, je länger wir leben, ein effizientes und bezahlbares Gesundheitssystem. Daher halte ich die Einführung der Lean-Methode für sinnvoll, natürlich unter Berücksichtigung der oben genannten Überlegungen. Und vor allem ist es wichtig, dem Gesundheitspersonal Wertschätzung und Unterstützung für ihre Arbeit entgegenzubringen.
Foto von Zhen H auf Unsplash
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